Der Begriff „Lernende Organisation“ (engl. Learning organization) wurde von Peter Michael Senge, dem Direktor des Center for Organizational Learning an der MIT Sloan School of Management in Cambridge (Massachusetts, USA), in seinem 1990 erschienenen Buch „The Fifth Discipline” geprägt (deutscher Titel des Buchs: “Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation“).
In ihm vertritt Senge die Auffassung, dass Organisationen fünf Fertigkeiten bzw. Diszipline brauchen, um sich zu einer lernenden Organisation zu entwickeln.
Lernende Organisation: die fünf Diszipline nach Senge
Diese fünf Diszipline einer lernenden Organisation laut Senge sind:
- individuelle Selbstentwicklung (Personal Mastery). Hiermit ist die Kompetenz zur Selbstführung und zur selbstständigen Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und Kompetenz gemeint. Kennzeichnend für diese Disziplin sind das kontinuierliche Streben nach Verbesserung und die regelmäßig Reflexion der eigenen (individuellen) Fähigkeiten, die wiederum einen Einfluss auf die Leistung der Organisation haben, um die Wirksamkeit zu erhöhen.
- mentale Modelle (Mental Models). Diese Disziplin bezieht sich auf das gezielte Ermitteln und Hinterfragen der (unbewussten) Grundannahmen, die das individuelle und kollektive Handeln in einer Organisation prägen, um sie durch zielführendere „mentale Modelle“ zu ersetzen.
- gemeinsame Vision (Shared Visioning). Eine gemeinsame Vision ist wichtig, damit die Mitglieder einer Organisation ein übergeordnetes Ziel vor Augen haben, an dem sie alle ihr Handeln orientieren können; zudem stärkt eine gemeinsame Vision, die auch Sinn vermittelt, den Zusammenhalt der Organisation und die intrinsische Motivation, also die Eigenmotivation der Mitglieder der Organisation.
- Lernen im Team (Team Learning). Hierbei geht es darum, dass die Mitglieder einer Organisation sich als Teile eines Teams verstehen und ihr Handeln und Streben nach Verbesserung auf ein gemeinsames Ziel ausrichten. Dahinter steckt die Annahme, dass hierdurch synergetische Effekte entstehen, die dazu führen, dass die Leistung des Teams besser bzw. größer ist als die seiner Einzelteile, da die Teammitglieder mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen, Erfahrungen und Persönlichkeiten sich im Idealfall wechselseitig befruchten.
- Denken in Systemen (Denken in Systemen). Durch das Denken in Systemen werden die Wirkmechanismen in einer Organisation sowie die zu berücksichtigenden Interdependenzen sowie Wechselwirkungen erkannt, besprechbar und bearbeitbar gemacht. Dadurch wird die funktions-, hierarchie- und bereichsübergreifende Zusammenarbeit gestärkt; zudem wird das „Silodenken“ überwunden und wird die Produktion von „Insellösungen“ vermieden.
Die Lernende Organisation: integrales Ziel fast aller Change-Projekte
Das Bestreben, die Organisation in Richtung „lernende Organisation“ zu entwickeln, ist heute ein integraler Bestandteil fast aller Changeprojekte in Unternehmen – auch wenn dieses Ziel oft nicht explizit benannt wird. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass in der VUCA-Welt der Changebedarf in den Unternehmen so groß ist und die Herausforderungen, vor denen die Unternehmen stehen, so vielfältig sind, dass sie in ihrer Gesamtheit weder zentral erfasst, noch top-down befriedigt werden können. Also müssen mehr Entscheidungsbefugnisse auf die operative Ebene verlagert werden. Zudem ist der Lern- und Entwicklungsbedarf bei den Mitgliedern der Organisation – aufgrund ihrer Biografie und Funktion in der Organisation – so verschieden, dass er mit zentral konzipierten Maßnahmen nur noch bedingt befriedigt werden kann. Also müssen sich die Mitglieder der Organisation in Richtung „Selbstentwickler“ entwickeln. Entsprechendes gilt für die Arbeitsteams.
Lernende Organisation & aktuelle Agilität-Diskussion
Das gilt auch für die aktuelle Diskussion über die Themen „Agilität“ und „Digitale Transformation der Unternehmen. Auch bei ihnen ist es ein integraler Bestandteil, die Organisation in Richtung „lernende Organisation“ zu entwickeln, da ansonsten die Unternehmen, die Herausforderungen, die in der von rascher Veränderung und geringer Planbarkeit geprägten digitalen Welt an sie gestellt werden, nicht meistern und nicht die erforderliche Innovationskraft und -dynamik entfalten können. .