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Unternehmen neu strukturieren und reorganisieren


Erschienen in "KMU-Magazin" im Mai 2025

Wenn Unternehmen ihre Organisation neu strukturieren, bedenken sie oft nicht ausreichend, dass sich in deren Struktur und Prozessen auch die Unternehmenskultur widerspiegelt. Das führt häufig dazu, dass die Reorganisation nicht die erhoffte Wirkung zeigt.

 

Aktuell stehen viele Unternehmen vor der Notwendigkeit, außer ihren Strategien auch ihre Strukturen und Prozesse den veränderten Marktbedingungen anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Ursachen hierfür können – abhängig von ihrem Geschäftsfeld, ihrer Größe, Marktposition und Historie – sehr unterschiedlich sein. Meist führen jedoch mehrere Faktoren dazu, dass in Unternehmen allmählich die Erkenntnis reift: Wir müssen etwas tun, damit wir unsere Marktfähigkeit bewahren oder im Extremfall gar wieder erlangen.

 

Also beschließen die Top Entscheider – oft unterstützt von externen Beratern – die Strategie des Unternehmens (partiell) zu ändern. Und hierauf aufbauend beschließen sie, wiederum die Strukturen und Prozesse in ihrer Organisation so zu verändern, dass die damit verbundenen Ziele erreicht werden. Und da die Top Entscheider erfahrene Manager sind, definieren sie zudem Meilensteine für das geplante Changeprojekt, also Etappen-Ziele, die es in dessen Verlauf zu erreichen gilt.

 

Zudem hinterlegen sie diese mit messbaren Key Performance Indicators (KPIs), also Kennzahlen, damit sie im Projektverlauf checken können: Ist die Organisation auf dem richtigen Weg, die Ziele zu erreichen, oder müssen wir korrigierend eingreifen, damit dies geschieht?

 

Ziele oft nicht erreicht

Dessen ungeachtet, stellen die Top Entscheider bei den Reviews, also Kontrollmeetings, die im Verlauf der Reorganisation stattfinden, oft fest:

 

  • Die Etappen-Ziele werden nicht erreicht oder
  • die erzielten Teilerfolge sind nicht nachhaltig.
     

Eine zentrale Ursache hierfür ist: Beim Planen solcher Projekte wird zwar meist bedacht, dass die Strukturen und Prozesse in einem Unternehmen mit dessen Strategie und Zielen korrespondieren müssen. Kaum beachtet wird jedoch, dass sich in den Strukturen und Prozessen eines Unternehmens auch dessen historisch gewachsene Kultur widerspiegelt. Deshalb erfordern Veränderungen auf der Prozess und Strukturebene zumeist auch Veränderungen auf der Kulturebene, also im Denken und Handeln der Mitarbeiter.

 

Deshalb sind Reorganisationsprojekte – gleich welcher Art – zumeist nur dann nachhaltig erfolgreich, wenn bei der Projektplanung die Ebenen Strategie, Prozesse/Strukturen und Kultur gleichermaßen bedacht werden. Dies gilt insbesondere für bereichs- oder gar unternehmensübergreifende Projekte, die viele, teils divergierende Interessen tangieren.

 

Reorganisation managen

Generell gilt: Das Umstrukturieren einer Organisation ist ein komplexer Change Prozess, der weit über das Anpassen der Strukturen hinausgeht. Letztlich lautet das übergeordnete Ziel stets, das gesamte Unternehmen – von der Strategie bis zur Kultur – so aufzustellen, dass es zukunftsfähig ist. Deshalb sollten die Verantwortlichen bei der Projektplanung und -gestaltung unter anderem folgende Faktoren beachten.

Eine klare Vision und Strategie entwickeln

Jede Reorganisation beginnt mit einer Vision, also bildhaften Vorstellung davon, wo und wofür das Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft steht – also zum Beispiel in einem Jahr oder drei, fünf oder gar zehn Jahren. Diese Zielvorstellung erleichtert es allen Beteiligten, die Veränderungen zu verstehen und mitzutragen. Die Vision sollte das Top-Management allen Mitarbeitern bzw. Betroffenen in einer einfachen, inspirierenden Sprache vermitteln; zum Beispiel mittels eines Storytellings, das auch die Dringlichkeit des Wandels verdeutlicht.

Den Status quo analysieren

Für das Planen der Reorganisation beziehungsweise Umstrukturierung müssen die Entscheider genau wissen, wo ihr Unternehmen aktuell steht. Also gilt es vorab, dessen Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) zu identifizieren und zu überprüfen, welche Prozesse, Technologien und Strukturen bereits zukunftsfähig sind und welche noch nicht. In diesen Prozess sollten auch Mitarbeiter integriert werden, um ein umfassendes Bild zu erhalten; außerdem externe Experten, unter anderem, weil jede Organisation blinde Flecken hat und «Painpoints», über die keiner gerne spricht.

Die Strukturen und Abläufe systematisch erfassen

Bei einer Reorganisation sollen die Strukturen, Abläufe und Prozesse einer Organisation an die neuen Zielsetzungen und/ oder veränderten Marktbedingungen angepasst werden. So entsprechen in Unternehmen zum Beispiel oft die bestehen den Hierarchien und Arbeitsweisen nicht mehr den Anforderungen eines von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten Markts. Häufig sind auch die Abläufe und Prozesse aufgrund des technischen Fortschritts nicht mehr marktgerecht oder den Kundenbedürfnissen entsprechend. Entsprechend wichtig ist eine genaue Analyse der aktuellen Abläufe, um beispielsweise Engpässe und redundante Prozesse zu identifizieren. Tools wie Prozesslandkarten und Workflows helfen, die erforderliche Transparenz zu schaffen und zu ermitteln, welche Prozesse zum Beispiel schlanker gestaltet oder gar automatisiert werden sollten.

Neue Technologien gezielt einsetzen und nutzen

Oft ist der Einsatz neuer Technologien ein entscheidender Hebel für erfolgreiche Umstrukturierungen. Dabei sollte den Entscheidern jedoch bewusst sein: Der Technologieeinsatz ist kein Selbstzweck; er dient dazu, die übergeordneten Ziele zu erreichen. Des Weiteren: Wie effektiv die Technik genutzt wird, hängt auch von der Akzeptanz der Mitarbeiter ab. Und diese wird davon beeinflusst, wie kompetent sie sich im Umgang mit ihr fühlen. Deshalb sollte das Einführen neuer Technologien stets mit Weiterbildungsprogrammen verknüpft sein, damit die Mitarbeiter die neuen Technologien möglichst schnell effektiv nutzen können.

Mitarbeiter frühzeitig informieren und einbinden

Eine Reorganisation kann nur erfolgreich sein, wenn sie von den Mitarbeitern getragen wird. Deshalb sollten die Führungskräfte top down aktiv auf ihre Teams zugehen und versuchen, im Dialog mit ihren Mitarbeitern in ihrem Umfeld eine Kultur der Mitgestaltung zu kreieren. Ein frühes Einbinden der Mitarbeiter – zum Beispiel durch bereichsübergreifende Arbeitsgruppen – hilft, die Akzeptanz zu steigern und Widerstände zu vermeiden. Zudem werden im Dialog mit ihnen oft wertvolle Ideen generiert, um beispielsweise Fallstricke im Projekt zu umgehen. Wichtig ist auch, dass in der Organisation Kommunikationsplattformen existieren, um die Sorgen und Bedenken, Wünsche und Erwartungen der Mitarbeiter aufzunehmen und auf diese angemessen zu reagieren.

Die Erfolgsbarrieren in der Unternehmenskultur abbauen

Strukturelle Veränderungen sind in der Regel leichter umzusetzen als kulturelle. Doch ohne eine passende Unternehmenskultur zeigen Umstrukturierungen meist nicht die erhofften Wirkungen. Entsprechend wichtig ist es, die kulturellen Barrieren zu identifizieren, die im Betriebsalltag dem Erreichen der Projektziele im Wege stehen, und gezielt Widerstände abzubauen. Dies können Führungskräfte unter anderem, indem sie in Workshops und im Dialog mit ihren Mitarbeitern, deren Ängste adressieren und darauf hinwirken, Vertrauen aufzubauen. Ein Vorleben der neuen Werte durch die Führungskräfte top down ist ebenfalls entscheidend für das Eintreten der angestrebten kulturellen Veränderungen.

Ein proaktives Change-Management betreiben

Umstrukturierungen, die auch die Unternehmenskultur tangieren, sind ohne ein professionelles Change Management selten erfolgreich. Klare Kommunikationsstrategien, transparente Entscheidungen und gezielte Maßnahmen zur Akzeptanzförderung sind für ihren Erfolg unerlässlich. Das Top-Management kann zum Beispiel durch regelmäßige StatusUp-Dates und eine (soweit möglich) offene, mitarbeiterorientierte Informationspolitik Vertrauen schaffen. Wichtig ist zu dem ein Change Management-Team, das den Prozess koordiniert und im Betriebsalltag als Ansprechpartner für die Mitarbeiter inklusive Führungskräfte auf der operativen Ebene fungiert.

Die Führungskräfte  «empowern» und «supporten»

Die Vorgesetzten beziehungsweise Führungskräfte der Mitarbeiter sind bei Reorganisationen im Betriebsalltag die treibende Kraft im Wandel. Zudem fungieren sie als Vorbilder für ihre Mitarbeiter. Ihre Haltung und ihr Engagement entscheiden maßgeblich über den Erfolg des Projekts. Dabei gilt es jedoch zu bedenken: Jede Reorganisation bedeutet für die Führungskräfte Mehrarbeit und eine erhöhte emotionale Belastung. Zudem plagen sie als Mitarbeitende der Organisation oft ähnliche Sorgen wie ihr Team. Trotzdem müssen sie stets die Zuversicht ausstrahlen «Wir schaffen das, wenn …». Entsprechend wichtig ist ein Empowerment und Support der Führungskräfte beispielsweise durch Weiterbildungen und Coachings und indem das Change Management-Team sie im Arbeitsalltag beratend unterstützt.

Agil sein und flexibel bleiben

Langfristige, detailliert ausgearbeitete Pläne sind in einer von rascher Veränderung geprägten Welt oft schnell überholt oder erweisen sich als (partiell) nicht zielführend – zum Beispiel, weil die Rahmenbedingungen sich zwischenzeitig geändert haben oder Wechselwirkungen nicht ausreichend bedacht wurden. Deshalb sollte bei den Reviews, die im Rahmen der Reorganisation stattfinden, nicht nur überprüft werden, inwieweit die bisherigen Maßnahmen zielführend waren, sondern auch gecheckt werden, inwieweit eventuell auch die Projektziele selbst einer Nachjustierung bedürfen. Ist dies der Fall, sollte auch der Maßnahmenplan modifiziert werden. Agile Methoden wie Scrum oder Kanban helfen, auf unerwartete Herausforderungen zeitnah angemessen zu reagieren.

Als Top-Management am Ball bleiben

Im Betriebsalltag stellt man oft fest: Das Top-Management eines Unternehmens beschließt zwar dessen Reorganisation beziehungsweise Umstrukturierung, doch dann delegiert es die Projektverantwortung an ein Change Management-Team oder einen Fachbereich wie den IT- oder HR-Bereich. Das wirkt sich auf die Erfolgsaussichten aus. Denn das Engagement des Top-Managements ist für die Mitarbeiter ein zentraler Indikator dafür, welche Bedeutung die Unternehmensleitung einem Projekt beimisst. Deshalb sollte diese den Mitarbeitern im Projektverlauf immer wieder zeigen: Dieses Projekt hat für uns eine sehr hohe Relevanz. Dies ist unter anderem möglich, indem die Top-Entscheider das Projekt in der firmeninternen Kommunikation immer wieder thematisieren oder zum Beispiel in Town-Hall-Meetings mit den Mitarbeitern hierüber debattieren.

Neue Routinen und Verhaltensweisen etablieren

Im Rahmen von Reorganisations beziehungsweise Umstrukturierungsprojekten sinkt in der Regel zunächst einmal die Performance der Organisation – auch weil viele Routinen, die die Mitarbeiter beim Arbeiten in den gewohnten Strukturen entwickelt haben, obsolet werden; Routinen, die ihnen ein effizientes Arbeiten ermöglichen und ihnen im Arbeitsalltag die nötige Verhaltenssicherheit vermitteln. Stattdessen müssen sie teils neue Verhaltensweisen zeigen und beim Arbeiten in den neuen Strukturen und Prozessen erst wieder neue Routinen entwickeln. Dies erfordert Zeit. In dieser Übergangsphase benötigen die Mitarbeiter mehr Unterstützung durch ihre Führungskräfte – unter anderem, indem diese ihnen regelmässig ein Feed back geben, inwieweit ihr Verhalten bereits den neuen Anforderungen ent spricht. Zudem sind Schulungen nötig, damit bei den Mitarbeitern mit der Zeit wieder die Verhaltenssicherheit entsteht, die gute, eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter auszeichnet.

Porträt Erfolge kommunizieren und feiern

Die (Verhaltens-) Unsicherheiten der Mitarbeiter verschwinden, wenn diese im Arbeitsalltag die Erfahrung sammeln: «Meine beziehungsweise unsere Anstrengungen sind von Erfolg gekrönt; alles bewegt sich in Richtung angestrebtes Ziel.» Entsprechend wichtig ist es, (Teil)Erfolge – sei es auf der kollektiven oder individuellen Ebene – zu kommunizieren, damit sich bei den Mitarbeitern das Gefühl verstärkt: «Ich …» beziehungsweise «Wir schaffen das, wenn …». Deshalb sollte man auch das Erreichen von Meilensteinen mit den Mitarbeitern feiern: als Zeichen der Wertschätzung der von ihnen erbrachten Leistung und zwecks Motivation auf dem eingeschlagenen Weg fortzufahren.

Reorganisation als Chance

Die Reorganisation eines Unternehmens ist stets ein mehrdimensionaler Change Prozess. Entsprechend professionell sollte dieser Prozess gemanagt werden – auf allen Führungsebenen. Geschieht dies, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass das Unternehmen, die aus der Dynamisierung der Märkte resultierenden Herausforderungen meistert und auf seine Stärken vertrauend optimistisch in die Zukunft blicken kann. 

 

 

Autor: Dr. Georg Kraus